Scenery und Hymne

Donnerstag, 19. Juni 2008

Wagniss

Ich moechte heute mal ein politisch recht brisantes Thema aufgreifen und mich mal fuer diesen Beitrag etwas aus den ueblichen Alltagsberichten zurueckziehen. Bekanntermasen suche ich ja schon seit laengerem den Kontakt zu Kanadiern um meine Integration voranzutreiben. Mein Kumpel V8Mike hatte ja die Schwierigkeiten geschildert, die so etwas hier und in unseren Job mit sich bringen kann. Hier habe ich nun ein paar gute Kollegen und Bekannte gewonnen, mit denen ich mich auch mal ueber Dinge jenseits des Jobs und des Alltagslebens unterhalten konnte. Und als Deutscher kommt hier natuerlich auch irgendwann mal das Thema NS-Vergangenheit auf. Und wer mich kennt weiss, das ich mich einer solchen Diskussion sowohl intelektuell als auch charakterlich gewachsen fuehle. Meist wollten die Leute aber nur wissen, wie man in Deutschland mit diesem Thema umgeht, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Dieses Recht sprechen sich die Kanadier selbst nicht zu, da auch sie wissen, das es erst in ihrer juengeren Geschichte Situationen gab, wo Menschen wegen ihrer ethnischen Zugehoerigkeit Repressalien erfahren mussten. Nun uebernimmt man hier dafuer auch die Verantwortung, wie die folgende Mitteilung zeigt, die ich aus dem Kanada-Newsletter der kan. Botschaft in Berlin entnommen habe (Zitat):

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Stephen Harper bittet kanadische Ureinwohner um Verzeihung
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Der kanadische Premierminister Stephen Harper hat sich am 11. Juni offiziell im Namen seines Landes bei den Ureinwohnern des Landes entschuldigt. Harper bat vor allem jene für das ihnen zugefügte seelische und körperliche Leid um Verzeihung, die ihren Familien entrissen und in spezielle Internate gezwungen worden waren. Diese offizielle Entschuldigung der kanadischen Regierung ist Teil einer Wiedergutmachungsoffensive, zu der auch eine "Wahrheits- und Versöhnungskommission" und finanziellen Entschädigungen für die Opfer und ihre Angehörigen gehören.

Schätzungsweise 150.000 Kinder der First Nations waren auf Regierungsgeheiß bis in die 1970-er Jahre hinein in Schulen erzogen worden, die von christlichen Kirchen betrieben wurden. Heute leben noch rund 80.000 dieser ehemaligen Internatsschüler, von denen viele fürs Leben traumatisiert sind.

"Die Behandlung der Kinder in den Indianer-Internaten ist ein trauriges Kapitel in unserer Geschichte", sagte Harper. "Heute sehen wir, dass diese Assimilierungspolitik falsch war und zu großem Leid geführt hat. Eine derartige Politik hat keinen Platz in unserem Land. Die Regierung von Kanada entschuldigt sich bei den Ureinwohnern des Landes und bittet um Vergebung, dass ihr Land ihnen gegenüber so sehr versagt hat."

Die Führer der anderen größeren kanadischen Parteien, Stéphane Dion von den Liberalen, Jack Layton von der NDP und Gilles Duceppe vom Bloc Québécois, schlossen sich der Entschuldigung an. (Zitat Ende)

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Mein Einwand war nun immer wieder das diese Dinge mit dem Holocaust schwer vergleichbar seien. Argument der Gegenseite lautete daraufhin, aber nur was die Ausmasse anbetrifft, aber es geht um das Prinzip. Weder Kanadier noch Amerikaner haetten das Recht, Deutsche dafuer heute zu ruegen. Denn nun lebende Deutsche sind kaum fuer Dinge zwischen 1933 und 1945 verantwortlich zu machen und beide Staaten haben auch in Sachen Rassenpolitik durchaus ihre schweren Fehler gemacht und koennten somit nicht als moralische Instanz dienen. Und das von einem Mann, dessen Grossvater im Zuge der allierten Invasion in der Normandie 1944 gefallen ist (auch Kanada hatte hier Truppen im Einsatz !).

Ich denke, das spricht fuer sich. Ergebniss der Diskussion war dann letztlich die Meinung aller Beteiligten, das jede Form der Diskriminierung von Menschen ( und das sind wir nun mal alle) aufgrund von Rasse, Religion, Hautfarbe, ethnischer Zugehoerigkeit, politischen Glauben oder auch sexueller Neigung zu vermeiden und auf das Schaerfste zu verurteilen ist. Ein Blick in die Weltnachrichten zeigt aber, das solche Dinge immer noch vorkommen, weil ein paar Politkoepfe das immer noch fuer oportun halten und/oder um Popularitaet zu gewinnen. Ich halte das fuer falsch, wie schon gesagt. Scheinbar sind wohl viele Kanadier der gleichen Meinung, was sicherlich auch daran liegt, das es hier doch eine sehr grosse Kulturenvielfalt gibt, Stichwort Einwanderungsland. Ein Mensch wird hier nach dem beurteilt, wie er ist und nicht was er ist, was er hat oder woher er stammt. Aufrichtigkeit zaehlt mehr als Aussehen und Rueckgrat mehr als Reichtum. Freundlichkeit wird gross geschrieben, Feindseeligkeit hingegen nicht akzeptiert. Und das schaetze ich an diesen Menschen hier.

Es sei noch einmal betont, das ich die deutsche Vergangenheit keineswegs herunterspielen moechte. Ich hoffe, das das jedem Leser klar geworden ist. Aber es handelt sich hierbei um meine ganz persoenlichen Ansichten. Und das Recht, diese auch frei aeussern zu duerfen garantiert mir sowohl die kanadische Verfassung als auch das deutsche Grundgesetz. Und ich denke das Thema ist auch einigermasen politisch korrekt behandelt worden. Es sind halt meine Gedanken, die ich hier einigermasen geordnet niederschreibe. Andere Meinungen sind natuerlich erlaubt, sogar gewuenscht.

Damit werde ich mich und meine Leser nun in die Nacht oder den Tag entlassen mit dem Hinweis, das dann wohl morgen ein neues Posting mit einem Abriss der letzten Tage folgen wird. Also gibt es auch wieder leichtere und unterhaltsamere Kost, frisch kreiert und serviert aus Ramos Bloghauskueche (huaa, was ein Wortspiel).

Also, i will catch you later.