Scenery und Hymne

Samstag, 15. Dezember 2007

Mensch werden und sein

Hello again,

ich weiß, ich habe meinen Blog in letzter Zeit etwas vernachlässigt, weil mein "Restleben" mich voll in Beschlag genommen hatte. Ich hatte auch schon länger mal versprochen, mich mal ein wenig über Gesellschaftliches und allgemeines Leben hier in Kanada zu äußern, weg von der Tourenberichterstattung, bevor die eintönig wird. Also bin ich mal während meiner Freizeit ein bischen rumgeschlendert und habe das Leben und die Stimmung hier auf mich wirken lassen, gerade in der Vorweihnachtszeit eine herrliche Sache. Und habe dann mal in mich hineingehorcht, wie ich das so aufnehme.

Tja und was soll ich sagen, während mir der ganze Weihnachtskram in DE doch ziemlich auf den Zeiger ging und ich mich als "Romantikkiller" bezeichnen lassen mußte, genieße ich diese Stimmung hier nun in vollen Zügen und das obwohl das hier alles noch ein paar Nummern kitschiger ist als in DE. Die Staaten lassen grüßen. Woran das liegen mag ? Ich vermute mal, am Wegfall der Existenzangst. Die scheint, was ich so aus Schilderungen von dort mitbekomme, den Leuten in DE schwer auf dem Gemüt zu liegen und das bei steigendem Konsumterror. Die meisten Leute hier in Woodstock sind finanziell auch nicht gerade auf Rosen gebettet, wie bereits geschrieben, als Truck Driver gehört man hier schon zur gehobenen Lohngruppe, aber dennoch schaffen sie es, zufrieden zu sein und das auch nach außen hin zu zeigen. Denn Materielles zählt hier nicht soviel wie in den letzten Jahren in DE, sondern eher menschliches, wodurch auch Klassenunterschiede nicht so ins Gewicht fallen. Man wird im Pub nicht erst von oben bis unten gemustert, ob man auch ja in Markenklamotten steckt oder was man für ein Auto auf dem Parkplatz stehen hat, damit die mit einem reden. Man wird aus Neugierde angesprochen, unterhält sich, trinkt ein paar Bier, sagt wenn man dann geht "see you later" und bestellt ein Taxi. Alles unkompliziert und entspannt, ohne Hintergedanken. Schwer vorstellbar als Deutscher aber wahr. Man kann hier auch gute Deals am Tresen machen, keine Frage. Man fragt mal den Bartender nach diesem und jenem und dann meldet sich jemand und bietet Dir seine Hilfe an und der kennt dann wieder jemanden und der wiederum kennt jemand anderen und so weiter.

Diese Entspannte überträgt sich dann auch bald auf einen selbst. Ich bin kürzlich beim Surfen auf diesen Beitrag gestoßen, ich habe dieses Posting ja seinerseits auch schon kommentiert und meine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, das ich es wieder schaffe, Mensch zu werden. Und nun muß ich sagen, ich befinde mich wohl gerade auf dem besten Wege dorthin. Die Existenzangst ist dahin und die Freizeit, die man trotz des Jobs hat, kann man ganz anders genießen. Zugegeben eine gewisse Bescheidenheit ist vorteilhaft, denn auch hier fliegen einem keine gebratenen Tauben in den Mund , aber man sieht den Lohn seiner Arbeit jede Woche auf dem Bankkonto oder in Einkaufstüten und ist beruhigt. Und diese Ruhe und die Einfachheit vieler Dinge des Alltags machen die Lebensqualität hier aus. Und das scheint sich nun zu zeigen. Leute, die mich nun wirklich gut kennen, behaupten ich sei komplett entspannter und relaxter und der Umgang mit mir sei wesentlich leichter geworden. Ich selbst kann das schlecht beurteilen. Aber teilweise bemerke ich es sogar selbst und das will was heißen. Also werde ich den Weg weiter gehen, denn es kommen hier noch viele spannende und fordernde Dinge auf mich zu, gerade im Zusammenhang mit meiner neuen Beziehung. Aber schon Goethe sagte "in der Ruhe liegt die Kraft". Und daraus und aus der neuen Liebe nehme ich die nun und bin mehr als zuversichtlich, alle anstehenden Aufgaben meistern zu können und das dann auch genießen zu können.

Und das macht meiner Meinung nach das "Mensch sein" aus. Also auf geht´s aber mit Ruhe und ohne Hektik, die zu Fehlern verleitet.

Just my two cents. Schönes Wochenende.